Tina Heliosch, René Duvinage
Es gibt ja dumme Fragen, die aber nur auf den ersten Blick dumm sind. Etwa die Frage, ob das Gegenteil vom Gegenteil dann wieder dasselbe ist oder doch etwas ganz Anderes? Oder warum Superkleber überall klebt, nur nicht auf der Innenseite der Tube? Oder, und damit kommen wir nun auch zum Thema, was eigentlich passiert, wenn die Agentur für Arbeit selbst mal keine Arbeit mehr hat?
Während wir über die ersten beiden Fragen selbst nochmal nachdenken müssen, fragen wir zur dritten Frage doch direkt nach bei zwei echten Fachleu-ten, die es wissen müssen: Bei Tina Heliosch, denn die ist Chefin von gleich zwei Agenturen für Arbeit, der in Osnabrück und der in Vechta. Und bei ihrem Kollegen René Duvinage, der die Agentur für Arbeit in Nordhorn leitet. Wobei die ganz genaue Amtsbezeichnung der beiden jeweils „Vorsitzende der Geschäftsführung“ respektive „Vorsitzender der Geschäftsführung“ lautet, so viel Behörde muss dann doch sein. In ihrer zeitgemäßen Arbeit haben die heutigen modernen Agenturen für Arbeit mit den alten Arbeitsämtern allerdings nicht mehr viel zu tun, das wird gleich bei den ersten Antworten unserer beiden befragten Führungskräfte deutlich.
Die drei großen „D“ die Digitalisierung, die demografische Ent-wicklung und Dekarbonisierung, sorgen für eine rasante Transformation der Arbeitswelt. Und während auf der einen Seite Geschäftsfelder und Tätigkeitsinhalte wegfallen, entste-hen auf der anderen Seite neue Arbeitsplätze und Anforde-rungen, für die jetzt bereits oder in Zukunft dringend Fach-kräfte benötigt werden, so Tina Heliosch: „Die klassische Form der Arbeitsvermittlung bei Arbeitslosigkeit nimmt nur noch einen kleinen Teil des Portfolios der modernen Arbeitsagen-turen ein. Vielmehr geht es heute darum, die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt zu erkennen und frühzeitig Unterneh-men und Beschäftigte zu beraten, wie sie wettbewerbsfähig bleiben. Ab dem Einstieg in das Berufsleben begleiten die Arbeitsagenturen die Menschen beratend durch das gesamte Erwerbsleben. Mit inzwischen vielen rund um die Uhr verfüg-baren Online-Angeboten, einer eigenen App und flexiblen Beratungsmöglichkeiten, inzwischen auch per Video, hat sich die Agentur für Arbeit schon lange der Zeit angepasst.“ Denn Erwerbsbiografien, in denen Menschen mehr als vier Jahr-zehnte die immer gleiche Arbeit für den immer gleichen Ar-beitgeber verrichten und schließlich in den Ruhestand gehen, werden zukünftig vom Normalfall zu eher seltener werdenden Einzelfällen. Stattdessen sorgt die moderne Arbeitswelt für Umbrüche und Tätigkeitswechsel. Verändert haben sich die Herausforderungen für die Vermittlungsfachkräfte, die vom früheren Volumengeschäft immer mehr auf dem Weg zu Spezial- und Individuallösungen seien.
Oder wie es René Duvinage, der Vorsitzende der Geschäfts-führung der Agentur für Arbeit in Nordhorn, mit einem Ver-gleich aus dem Sport sagt: „Früher waren wir die Fußball-trainer, die die ganz einfachen Übungen am Ball für die Kreisklasse vermittelt haben und heute sind wir immer öfter ein paar Ligen höher unterwegs mit entsprechend höherer Taktik und Technik und mit viel mehr Trainingsaufwand.“ Dazu gehören dann Weiterbildungsmöglichkeiten für die Kundinnen und Kunden, die neben der eigentlichen Weiter-bildung auch unterstützt werden können, etwa bei den Kosten für die Kinderbetreuung. Und für die Arbeitgeber haben die Agenturen Zuschüsse für Lehrgangskosten ebenso im Angebot wie die Erstattung von Kosten für ent-standenen Arbeitsausfall.
Heute erneuert sich das Wissen in den Berufen alle paar Jahre fast komplett, Tendenz steigend. „Der alte Spruch vom lebenslangen Lernen ist heute relevanter denn je. In einer Welt, die sich ständig wandelt, ist das der Schlüssel, um sowohl persönlich als auch beruflich und wirtschaftlich durch Innovation erfolgreich zu bleiben.“ Starke Partner sind dabei naturgemäß auch die Hochschulen und Universitäten, die besonders in der Region sehr gut aufgestellt und in dynamischem Wachstum begriffen sind, wie Tina Heliosch betont: „Die Strahlkraft der Hochschulen und die Struktur-stärke unserer mittelständisch geprägten Region sind enorm. Das bietet uns auch für unsere Arbeit wichtige Rah-menbedingungen und ist gleichzeitig Ansporn, zur guten Entwicklung in der Transformation beizutragen.“
Ebenfalls ein hochaktuelles Thema, das für die Arbeitsämter alter Schule abgesehen von der Zeit des Wirtschaftswun-ders von eher geringerer Bedeutung war, ist die dringend notwendige Zuwanderung aus dem Ausland auf den deut-schen Arbeitsmarkt. Denn wenn die Rekordjahrgänge aus der Generation der Boomer sich nach und nach aus dem Arbeitsleben verabschieden, wird es ohne kräftige Hände und kluge Köpfe aus anderen Ländern schlicht nicht gehen.
René Duvinage sieht seinen Bereich mit der Grafschaft Bentheim und dem Emsland bei diesem Thema sehr gut aufgestellt: „Wir sind eine Region der Macher, hier wird in Lösungen gedacht und nicht in Problemen.“ Allein schon durch die Nähe zu den Niederlanden sei ein gefühlt gemeinsamer Arbeits-markt mit einem europäischen Nachbarn erfolgreich gemeisterter Alltag und auch der Umgang mit anderen entfernteren Nationen werde hier im Nor-den ganz pragmatisch als Chance betrachtet: „Viele geflohene Syrer etwa gehen doch ganz sicher nicht mehr zurück in ihr Land, die brauchen wir hier auch und integrieren sie aktiv in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft.“ Und René Duvinage sieht dabei auch den wichtigen politischen Aspekt seiner Arbeit: „Fakten schlagen Mythen und bei Fakten sind wir stark.“
Heliosch treibt die Attraktivität von Arbeit um und dabei nimmt sie gesellschaftliche Veränderungen in den Blick. Ein besonders wichtiger Punkt ist ihr die „Care-Arbeit“: „Wir müssen das stärker mitdenken, um unsere Beschäftigten besser zu unterstützen und sie für die Unternehmen zu erhalten. Es braucht eine lebensphasenorientierte Personalpolitik mit flexiblen Arbeitszeitmodellen und Unterstützungsprogrammen. Junge Eltern sollten die Chance haben, flexibel zu arbeiten, um die Kinderbetreuung zu gewährleisten. Später können sie dann womöglich wieder länger arbeiten. Sollten aber ihre eigenen Eltern pflegebedürftig werden, ist womöglich wieder mehr Flexibilität gefragt.“
Sowohl Tina Heliosch als auch René Duvinage arbeiten seit vielen Jahren bei der Bundesagentur für Arbeit und haben auf ihrem Weg auf der Karrie-releiter schon viele Sprossen in ganz unterschiedlichen Regionen Deutschlands erklommen. Egal ob Hannover, Bremen oder jetzt Osnabrück, bei all der beruflichen Flexibilität hat Tina Heliosch ihrem Wohnort Wilhelmshaven immer die Treue gehalten hat: „Mein Vater war bei der Bundeswehr. Darum sind wir naturgemäß in meiner Kindheit viel umgezogen. Ich habe mich immer wieder neu zurechtfinden müssen und gelernt, mich schnell in neuen Gege-benheiten zu orientieren und Kontakt zu finden. Das hat mir später im Berufsleben sehr weitergeholfen und tut es noch immer. Wilhelmshaven, mit mei-nem Mann und unserer Familie, ist für mich zur Kraftquelle geworden und bietet mir Kontinuität im ansonsten stetigen Wandel.“
René Duvinage hat ebenfalls die Agentur quasi im Blut: „Ich bin seit 1992 in der Welt der Bundesagentur für Arbeit unterwegs und habe dabei natürlich schon viel gesehen. Aber so herausfordernd, aber auch so erfolgreich und zupackend wie in den vergangenen Jahren war es noch nie.“ Er pendelt dabei von seinem Wohnort Bramsche im Landkreis Osnabrück zur Arbeit nach Nordhorn, denn er fühlt sich pudelwohl in Bramsche: „Hier steht mein Haus und hier spiele ich Fußball beim FCR Bramsche.“ Der Linksaußen hat sogar schon Bezirksoberliga gespielt und freut sich, dass auch Sohnemann Brian kickt: „Der ist übrigens nach dem dänischen Stürmer Brian Laudrup benannt und spricht sich deshalb auch nicht englisch aus, sondern ganz nordisch Brian.“
Sportlich unterwegs ist Tina Heliosch ebenfalls: „Ich stehe nicht nur beruflich im positiven Sinne gern unter Strom, sondern auch privat. Regelmäßigen Sport in der Gruppe konnte ich den vergangenen Jahren durch meine wechselnden beruflichen Standorte und auch die Abendveranstaltungen nicht mehr realisieren. Deswegen setze ich auf EMS-Training. Das ist effizient und unheimlich wirksam. Das gefällt mir bei der Arbeit und auch im Sport.“ Wem das Kürzel nichts sagt: EMS steht für Elektromyostimulation, dabei werden die Muskeln über Elektroden und elektrische Impulse stimuliert. Fit sind Tina Heliosch und René Duvinage also. Was auch gut ist, denn mit genügend Elan lässt sich die anfallende Arbeit leichter erledigen. Und die geht, da kom-men wir auf die Anfangsfrage zurück, der Agentur für Arbeit in den nächsten Jahren ganz bestimmt nicht aus.
Ach ja, bleiben noch die anderen beiden dummen Fragen: Also, der Superkleber klebt erst bei Kontakt mit der Luft, weil er die Luftfeuchtigkeit zum Aushärten braucht. Und das Gegenteil des Gegenteils muss nicht wieder dasselbe sein, ganz im Gegenteil – es kann auch das Dafürteil sein.
Agentur für Arbeit Osnabrück Agentur für Arbeit Nordhorn
Telefon: 080045555-00
Web: www.arbeitsagentur.de/vor-ort/osnabrueck
www.arbeitsagentur.de/vor-ort/Nordhorn
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