Mark Rauschen
Was soll man bloß anziehen, wenn man zum Gespräch verabredet ist mit dem wohl wichtigsten Modemenschen in Osnabrück? Ach was, mit dem wohl wichtigsten Modemenschen in der Stadt und dem ganzen Landkreis Osnabrück, in Cloppenburg, Vechta, dem Emsland und dem Münsterland, mindestens?
Wir treffen Mark Rauschen, den Chef und Inhaber des Modehauses Lengermann und Trieschmann in Osnabrück, kurz L&T. Wobei dieses L&T viel mehr ist als nur ein Modehaus, denn hier können die Kunden eigentlich den ganzen Tag verbringen: Es gibt eine eigene Markthalle mit Gastronomie für jeden Geschmack, auf den verschiedenen Stockwerken verteilen sich außerdem Theken und Ruhebereiche. Hier findet jeder das passende Kleidungsstück für jeden Anlass, echte Osnabrücker haben selbstredend ein Kundenkonto. Und sie lassen sich von L&T durch das ganze Leben begleiten – vom Baby-strampler über die Kinderkleidung, das festliche Kleid und den schnieken Anzug zum Abschlussball über das stilsichere Outfit für das erste Bewer-bungsgespräch bis hin zum Hochzeitskleid für die Braut und dem feinen Anzug für den Bräutigam. Und ja, auch für den Trauerfall gibt´s hier etwas Passendes anzuziehen. Was nicht perfekt passt, wird noch vor Ort passend gemacht: In der hauseigenen Schneiderei dauert es höchstens eine Stunde, dann ist die Hose auch schon gekürzt.
Was also ist nun die passende Bekleidung für unser Ge-spräch? Komplett in Klamotten von L&T mit vorauseilendem Hinweis auf das selbstverständlich vorhandene Kundenkonto? Arg anbiedernd. Casual Chic oder Business Casual oder gleich komplett mit Anzug und Krawatte? Nee, das ist ja kein Bewer-bungsgespräch. Und vielleicht achtet Mark Rauschen ja auch gar nicht so sehr darauf, was sein Gegenüber gerade so am Leibe trägt? Das ist doch immerhin eine gute Anfangsfrage für unser Gespräch. Und siehe da: „Doch klar, da achte ich natür-lich schon sehr drauf als jemand, der mit der Mode groß ge-worden ist.“
Rauschen hat das Unternehmen von seinem Vater übernom-men, teilt sich die Geschäftsführung gemeinsam mit zwei Kollegen und hat vier weitere Gesellschafter. Und er hat dabei seine eigene Idee vom Einzelhandel stetig weiterentwickelt: „Bei uns verbringt der Kunde seine Quality Time, schließlich sind Einkaufen und Shoppen zwei ganz verschiedene Paar Schuhe. Beim Einkaufen geht es um den Liter Milch, weil der Kühlschrank leer ist. Beim Shoppen geht es darum, sich etwas zu gönnen und eine gute Zeit zu haben.“ Darum könne das Internet zumindest seiner Branche auch nicht wirklich gefähr-lich werden, wenn der Einzelhandel seine Hausaufgaben mache: „Wir handeln mit passformsensitiven Inhalten und bieten professionelle persönliche Beratung, so etwas geht nicht im Netz.“ Womit auch bewiesen wäre, dass niemand seine Kunden so gut beobachtet und kennt wie der Einzel-handel, wenn schon das einfache Anprobieren in der Fach-sprache „passformsensitiv“ heißt. Aber vermutlich ist genau das eines der Erfolgsgeheimnisse des Einkaufens bei L&T: Für die Kunden wirkt der Weg durchs Haus immer organisch und wie ein angenehmes Bummeln und führt dabei von einer schönen Entdeckung zum nächsten überraschenden Ange-bot. Die komplexen Entscheidungen und quasi wissenschaft-lichen Erkenntnisse und Abläufe im Hintergrund bleiben dabei so unsichtbar wie bei sehr guten Fußballern oder Schauspie-lern: Immer, wenn es ganz leicht aussieht, ist es so richtig schwer und große Kunst.
Nicht nur um Fußball, sondern um alle Sportarten dreht es sich in der neuesten Erweiterung des Osnabrücker Publikumsmagneten, von dem es heißt, die Mieten und Pachten in der zentralen Fußgängerzone bemäßen sich nach dem Abstand zu L&T: je näher dran, desto teurer. Denn mit dem Sporthaus hat Mark Rauschen eine ganz eigene Welt geschaffen: Vor allem mit der spektakulären „Hasewelle“ im Untergeschoss, die die Kunden entweder ganz nah dran in einer Art Amphitheater direkt im Blick haben oder die sie jederzeit auch aus allen oberen Stockwerken sehen können durch den komplett offen gestalteten Innenbereich. Diese einschaltbare Dauerwelle für Surfer in einer Art Hallenbad funktioniert genau wie die legendäre Eisbachwelle am südlichen Rand des Englischen Gartens in München oder die neueste Open-Air-Variante dieses Themas, die Leinewelle in der Altstadt von Hannover ganz in der Nähe des Niedersächsischen Landtages. Im Unterschied zu München und Hannover ist Osnabrück dank L&T unabhängig vom Wetter, hier kann die Welle das ganze Jahr über geritten werden. Und das Angebot wird nicht nur von Profi-Surfern für Wettbewerbe genutzt, sondern findet auch regen Anklang bei Firmen als Team-Building oder bei Cliquen, Freundeskreisen und ganzen Familien. Mark Rauschen hat sogar noch mehr beobachtet: „Hier kommen immer mal wieder kleine Gruppen rein, wo offenbar jemand aus Osnabrück seinen Besuchern von auswärts die Stadt zeigt. Und dann steht der private Gästeführer im Sporthaus vor der Hasewelle, breitet seine Arme aus und erklärt im Brustton der Überzeugung, dieses hier sei unsere Osnabrücker Surferwelle und die neueste Attraktion der Stadt.“ Auch da zeigt sich wieder, dass L&T für Osnabrück so viel mehr ist als nur ein Modehaus.
Dieses mit Liebe zum Detail gelebte Konzept des modernen Einzelhandels macht Mark Rauschen auch zu einem gesuchten Gesprächspartner, wenn es um die Zukunft der deutschen Innenstädte geht. Schließlich gehört L&T hinter dem legendären „KaDeWe“ am Berliner Wittenbergplatz und den Häu-sern von Breuninger mit dem Stammhaus am Stuttgarter Marktplatz zu den fünf besten gehobenen Modehäusern in Deutschland. Der Wert des Waren-bestandes liegt hier immer bei mehr als 20 Millionen Euro. Mit einem Einzugsgebiet von 80 bis 100 Kilometern weiß der L&T-Chef vor allem um die Wün-sche der Kunden, die von auswärts zum Shoppen kommen: „Bis jetzt ist unser Parkhaus unsere Lebensversicherung, denn die Menschen vom Land wollen mit dem Auto in die Stadt fahren.“ Dabei sei er selbst gar nicht ausschließlich auf das Auto fixiert, so Rauschen: „Ich finde auch einen gut funktio-nierenden ÖPNV ganz prima, aber der muss eben wie gesagt gut funktionieren.“ Und auch die Idee, wonach die Einwohner einer Stadt stark auf den ÖPNV oder auch das Fahrrad setzen und so mehr Platz auf den Straßen frei machen für die Besucher, die mit dem Auto von weiter herkämen, finde er gut: „Da geht es dann ja vor allem darum, von wo diese Menschen losfahren und dort auf dem flachen Lande fährt der Bus eben selten bis gar nicht.“ Um die Sicht des Einzelhandels auch in die Entscheidungen der Kommunalpolitik einzubringen, engagiert sich Mark Rauschen unter anderem im Vor-stand des Vereins Osnabrücker City Marketing und als Vizepräsident der Industrie- und Handelskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim. Und bundesweit ist er die Stimme seiner Branche als Präsident des Handelsverbandes Textil (BTE). Kein Wunder, dass der Osnabrücker Vorzeigeunterneh-mer da auch schon in der renommierten Wochenzeitung „DIE ZEIT“ mit seinem Haus für positive Schlagzeilen gesorgt hat: Als Blaupause dafür, wie der inhabergeführte Einzelhandel in der City erfolgreich in die Zukunft geführt werden kann – und dabei auch gleich die in manchen Städten mehr und mehr von Leerstand und Tristesse bedrohten Innenstädte weiterhin mit Leben erfüllen und so am Leben halten kann.
Jetzt aber nochmal zurück zu der Frage, was man denn nun anzieht zum Termin mit diesem Vollprofi in Sachen Mode: Zum Glück stand ebenfalls in der „ZEIT“ ein Artikel über den Trend zu „Quiet Luxury“, was offenbar brandaktuell ein im doppelten Sinne echtes Modewort ist. Eigentlich aber nichts weiter bedeutet, als dass Klamotten angesagt sind, denen man möglichst keine Marke und damit auch keine Herkunft und kein Preissegment ansieht. Da ist ein handgeschneidertes Hemd aus feinem kaschubischem Leinen ohne Logo hoffentlich die richtige Wahl für das Treffen mit Mark Rauschen, der bei hochsommerlicher Hitze selbst in lässiger Perfektion im hellen Anzug und T-Shirt empfängt: „Ich habe mich heute passend zum Wetter mal ein bisschen italienisch verkleidet.“ Stimmt, so könnte er in jedem Nespresso-Werbespot auftreten, wenn Brad Pitt mal keine Zeit hat. Ist das denn auch tatsächlich sein persönliches Lieblings-Outfit? „Also, am wohlsten fühle ich mich eigentlich in Jeans, weißem Hemd und Sakko“, lacht Rauschen. Und wo wir gerade bei privaten Fragen sind: Wollte er immer das väterliche Unternehmen übernehmen? „Ja, ich bin schließlich hier im Geschäft quasi aufgewachsen und das Thema Mode im Einzelhandel hat mich schon immer fasziniert.“ Da passt es ins Bild, dass Rauschen nach seinem Grundwehrdienst bei der Luftwaffe studiert und seine Diplomarbeit als Wirtschaftsingenieur zum Thema „Erlebniseinkauf im Einzelhandel“ geschrieben hat. Es ist wie gesagt immer alles genau dann hochprofessionell, wenn es ganz locker aussieht.
Wenn Mark Rauschen mal freie Zeit hat, also sozusagen fast nie, dann lebt er einen Kindheitstraum: „Ich wollte immer Pilot werden. Bei der Luftwaffe war ich als Wehrdienstleistender aber natürlich nur am Boden.“ In die Luft gegangen ist er dann mit privater Pilotenlizenz und einer Maschine, die er sich am Sportflugplatz in Osnabrück-Atter mit drei Freunden teilt, „auch wenn ich leider viel zu selten dazu komme.“ Dafür hält Mark Rauschen das Steuer im Unternehmen fest in der Hand, damit seine „Airline L&T“ auch weiter im Höhenflug bleibt.
Modehaus L&T Lengermann & Trieschmann
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